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Beamtenrecht: viele dienstliche Beurteilungen sind rechtswidrig!

Die dienstlichen Leistungen von Beamten müssen regelmäßig beurteilt werden. Diese dienstlichen Beurteilungen der Vorgesetzten sind jeweils die Grundlage für weitere Personalentscheidungen, zum Beispiel Beförderungen und Versetzungen. Die Besonderheit: Beamte haben aufgrund einer Regelung im Grundgesetz die Möglichkeit – anders als Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft – Beförderungsentscheidungen oder Einstellungen gerichtlich überprüfen zu lassen (sogenannte Konkurrentenklage).

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in den letzten Jahren häufig mit der Frage beschäftigt, inwieweit diese dienstlichen Beurteilungen auch tatsächlich rechtmäßig erstellt werden. Der Hintergrund ist, dass in vielen Fällen die Vermutung besteht, dass Beurteilungen „geschönt“ werden, um bestimmten Beamten einen Vorteil bei Beförderungsverfahren zu verschaffen.

So hat das Bundesverwaltungsgericht vor einigen Jahren bereits entschieden, dass dienstliche Beurteilungen (in denen die einzelnen Leistungen jeweils nur in einer Notenstufe angekreuzt werden) mit einer schriftlich begründeten Gesamtnote versehen werden müssen. Dies hat dazu geführt, dass viele Beurteilungen gerichtlich aufgehoben werden mussten und viele Beförderungsverfahren gerichtlich gestoppt oder beanstandet wurden.

In einer aktuellen Entscheidung vom 7.7.2021 (2 C 2.21) hat das Bundesverwaltungsgericht erneut für Aufsehen gesorgt: es hat zum einen festgestellt, dass viele dienstliche Beurteilungen keine ausreichende rechtliche Grundlage haben. So werden im Land Brandenburg die Beamten nur auf Basis einer einfachen Verwaltungsvorschrift beurteilt. Erforderlich wäre nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch eine klare gesetzliche Grundlage für die Beurteilungen.

Zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht weiter entschieden, dass die Beurteilungen teilweise auch deswegen zu beanstanden sind, weil sie nur die Leistung der Beamten einschätzen. Das Grundgesetz würde jedoch in Art. 33 Abs. 2 auch verlangen, dass Eignung und Befähigung der Beamten eingeschätzt werden. Dies müsse in einem Gesamturteil in der dienstlichen Beurteilung eindeutig festgestellt werden.

Viele, wenn nicht gar die meisten dienstlichen Beurteilungen von Beamten werden diesen neuen Forderungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht gerecht. Beamte, die derzeit in einem Beförderungs- oder Auswahlverfahren stehen oder erwarten, sich in nächster Zeit entsprechend zu bewerben, sollten daher ihre Beurteilungen rechtlich überprüfen lassen.

Viele Justizbeschäftigte können jetzt mehr Geld verlangen

Gute Nachrichten für Beschäftigte von Berliner und Brandenburger Gerichten. Nach bereits länger schwelenden Streitigkeiten hat das Bundesarbeitsgericht nun in einer Entscheidung vom 9.9.2020, 4 AZR 195/20, grundsätzlich entschieden, dass Justizbeschäftigte in Geschäftsstellen der Gerichte der Länder eine deutlich höhere Vergütung verlangen können. Die Justizbeschäftigten sind häufig tariflich in den Entgeltgruppen EG 6 bis EG 8 des Tarifvertrags der Länder eingestuft. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts können sie jedoch nunmehr in fast allen Fällen eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 a TV-L verlangen. Dies macht durchaus Beträge von mehreren 100 EUR im Monat aus.

Es ergibt sich jedoch die Besonderheit, dass sowohl das Land Brandenburg, als auch das Land Berlin angekündigt haben, diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht umsetzen zu wollen. Das Land Berlin hat auch bereits Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eingelegt.

Deshalb müssen Justizbeschäftigte, die eine höhere Eingruppierung verlangen wollen, nunmehr aktiv werden. Da in einem Nachfolgerechtsstreit das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das Verfahren mit Beschluss vom 26.3.2021 bis zum 30.9.2022 wegen der Verfassungsbeschwerde ausgesetzt hat, drohen nunmehr Ansprüche zu verfallen. Sollten Justizbeschäftigte aus Berlin und Brandenburg auch Ansprüche aus dem Jahr 2018 geltend machen wollen, müssen Sie nunmehr bis spätestens Jahresende Klage erheben, um eine Verjährung zu vermeiden.

Ganz allgemein gilt für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, dass sie ihre Vergütung gerichtlich überprüfen lassen können. Es gilt insofern die „Tarifautomatik“. Es kommt also nicht darauf an, was im Arbeitsvertrag als Vergütung vereinbart ist, sondern welche Vergütung sich tatsächlich aus der Bewertung des Arbeitsverhältnisses nach der jeweiligen Entgeltordnung und dem Tarifvertrag ergibt. Beschäftigte müssen dabei beachten, dass entsprechende Ansprüche auf Überprüfung und Höhergruppierung nur innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist von sechs Monaten zu einer rückwirkend höheren Vergütung führen können. 

Problemfall: Aufhebungsvertrag im Arbeitsverhältnis

Es ist keine seltene Situation: ein Arbeitnehmer wird zum Chef zitiert. Dort erwartet ihn dieser zusammen mit anderen leitenden Angestellten. Der Arbeitnehmer wird mit Vorwürfen konfrontiert und ihm wird anschließend mitgeteilt, dass man ihn fristlos kündigen werde. Alternativ könne er aber auch den bereits vorbereiteten Aufhebungsvertrag unterschreiben, mit dem das Arbeitsverhältnis sofort beendet werde. Viele Arbeitnehmer knicken dann ein und unterschreiben, teilweise auch aus Angst.

Durch den Aufhebungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis dann sofort beendet und der Arbeitnehmer wird arbeitslos. Meldet er sich dann arbeitslos, teilt ihm dann die Bundesagentur für Arbeit mit, dass er mit einer zwölfwöchigen Sperrzeit konfrontiert ist und erstmal kein Arbeitslosengeld erhält.

Was kann man in einer solchen Situation aus Arbeitnehmersicht tun? Es besteht die Möglichkeit, den Aufhebungsvertrag anzufechten, wenn man sich bei der Abgabe der Erklärung im Irrtum befunden hat. Eine solche Anfechtung müsste unverzüglich erfolgen, wobei im Arbeitsrecht allgemein von einer maximal 14-tägigen Frist ausgegangen wird. Handelt es sich bei der Ankündigung der fristlosen Kündigung hingegen um eine unzulässige und rechtswidrige Drohung kommt auch eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags aus diesem Grund innerhalb einer Frist von einem Jahr in Betracht. Ein Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nämlich nur dann zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags drängen, wenn er wichtige und nachvollziehbare Gründe hat, die ihn auch zur fristlosen Kündigung berechtigen würden. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer dann durch eine – am besten schriftliche – Anfechtungserklärung und gegebenenfalls eine anschließende Klage sein Arbeitsverhältnis wiederherstellen.

Einen weiteren Weg zeigt auch die jüngere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf: mit Urteil vom 7.2.2019, 6 AZR 75/18, wurde entschieden, dass ein Aufhebungsvertrag auch unwirksam sein kann, wenn er unter Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine Seite etwa die Unerfahrenheit der anderen oder eine Überrumpelungssituation ausnutzt, um den angestrebten Aufhebungsvertrag zu erhalten. Liegt ein solcher Fall vor, kann ein Aufhebungsvertrag auch aus diesem Grund unwirksam sein. Der Arbeitnehmer kann sich dann erfolgreich dagegen ggf. mit Klage beim Arbeitsgericht wehren und das Arbeitsverhältnis fortsetzen. Häufig wird aber in der Praxis wohl eher eine Verbesserung der Beendigungsbedingungen, zum Beispiel durch Zahlung einer Abfindung, dabei herauskommen.

Wann habe ich Anspruch auf Abfindung?

Wenn mich Mandanten aufsuchen, die eine Kündigung erhalten haben, fragen viele, wie hoch denn ihr Abfindungsanspruch eigentlich sei.

Aber ist das wirklich so? Habe ich als Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung einen verbrieften Anspruch auf eine Abfindung? Die Antwort lautet: in den meisten Fällen eigentlich nicht.

Anders als in anderen europäischen Ländern ist die Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes in Deutschland nur in wenigen Fällen ausdrücklich gesetzlich geregelt. Der eine Fall ist, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung erhält und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer noch im Kündigungsschreiben (wichtig!) für den Fall der Nichterhebung einer Klage gegen die Kündigung eine Abfindung in Höhe eines halben Bruttogehaltes pro Jahr der Beschäftigung anbietet (vgl. § 1 a Kündigungsschutzgesetz). Der andere – in der Praxis seltene – Fall , liegt dann vor, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag einer Prozesspartei das Arbeitsverhältnis durch Urteil gegen Abfindung auflöst, weil die Fortsetzung unzumutbar oder unzweckmäßig ist (§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz).

Beide Varianten setzen überdies voraus, dass das Kündigungsschutzgesetz überhaupt anwendbar ist. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt wird, der regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt und wenn das Arbeitsverhältnis länger als ein halbes Jahr besteht.

Ebenfalls kann ein Abfindungsanspruch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert und beispielsweise ein für den Betrieb geltender, mit dem Betriebsrat vereinbarter Sozialplan oder ein für ihn geltender Tarifvertrag eine entsprechende Abfindung vorsieht. Dann ergibt sich der Abfindungsanspruch unmittelbar aus dem Sozialplan bzw. dem Tarifvertrag. Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall übrigens regelmäßig nicht auf die Abfindungshöhe des Sozialplans beschränkt, sondern kann versuchen, mittels einer Kündigungsschutzklage eine höhere Abfindung zu erstreiten.

In den meisten anderen Fällen besteht häufig kein Abfindungsanspruch. Der Arbeitnehmer muss dann versuchen, mit seinem Arbeitsgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses oder außergerichtlich nach Ausspruch einer Kündigung eine Abfindungszahlung zu vereinbaren, wenn er eine Abfindung erhalten möchte.

Den Hebel hierzu bietet die spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung oder Fristablauf des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht zu erhebende Kündigungsschutzklage (bzw. bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Entfristungsklage). Mit einer solchen kann der Arbeitnehmer ggf. feststellen lassen, dass die Kündigung oder Befristung eines Arbeitsverhältnisses unrechtmäßig war. Eine rechtswidrige Kündigung kann dem Arbeitnehmer außerdem einen Weiterbeschäftigungsanspruch vermitteln. Da der Arbeitgeber in vielen Fällen häufig kein Interesse daran hat, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, kann er sich in solchen Fällen von der Weiterbeschäftigung “freikaufen“, indem er dem Arbeitnehmer eine Abfindungszahlung anbietet. Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht verpflichtet, ein solches Abfindungsangebot auch tatsächlich anzunehmen. Er kann auch versuchen, seinen Weiterbeschäftigungsanspruch durchzusetzen, was häufig allerdings als nicht unbedingt erstrebenswert angesehen wird.

Wie hoch ist denn eine solche Abfindung? Feste Werte gibt es hierzu nicht. In der Praxis hat sich herausgebildet, in durchschnittlich gelagerten Fällen mit ungewissem Prozessausgang eine Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung zu zahlen. In einigen Branchen kann es auch üblich sein, mehr (z. B. Banken) oder weniger (z. B. Bau) hohe Abfindungsbeträge zu vereinbaren. Tatsächlich wird die Höhe der Abfindung neben der Gehaltshöhe und der Dauer des Arbeitsverhältnisses allerdings in erster Linie durch die Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzprozess, dessen mögliche Dauer (Stichwort: Verzugslohnrisiko des Arbeitgebers), die noch zu erwartende Arbeitsvertragslaufzeit, den Kündigungsgrund (bei betriebsbedingten Kündigungen ist die Abfindung im Verhältnis häufig höher, als bei verhaltensbedingten oder krankheitsbedingten Kündigungen) und die “Schmerzgrenze” des Arbeitgebers bestimmt. Hier ist also entweder Ihr Verhandlungsgeschick oder das Ihres Anwaltes gefragt. Einen “festen” Abfindungsanspruch in einer bestimmten Höhe hat man also meistens nicht, sondern man muss ihn sich erstreiten und aushandeln.

Schlechte Karten haben hierbei allerdings Arbeitnehmer in Kleinbetrieben (weniger als zehn Mitarbeiter), auch wenn das Arbeitsverhältnis mitunter viele Jahre bereits besteht. Für diese wird es nur in wenigen Fällen eine Chance auf eine Abfindung geben, weil für diese das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt.

Eckart Johlige, Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht